Gegenseitig zu Erben einsetzen? Dann muss das im gemeinschaftlichen Testament auch so formuliert werden!
Das Oberlandesgericht Brandenburg urteilte, dass allein der im gemeinsamen Testament genannte Wunsch von Eheleuten, das Wohnhaus nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten zu erhalten, nicht ausreicht, um das Testament so auszulegen, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben des gesamten Nachlasses einsetzen wollten. Wenn sich ein Ehepaar gegenseitig zu Alleinerben einsetzen möchte, muss dies in einem gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich erklärt werden. (Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, Beschl. v. 9.8.2022 (3 W 67/22)
Im besagten Fall formulierten Eheleute 2019 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie unter der Überschrift „Wohnhaus“ verfügen, dass ihr Wohnhaus und Grundstück nach dem Tod des länger lebenden Eigentümers an die Tochter vererbt werden soll. Neben der Immobilie im Wert von 500.000 € hatten die Ehegatten noch Erspartes von 250.000 €. Das Nachlassgericht ging zunächst davon aus, dass sich die Ehegatten nach dem ersten Erbfall gegenseitig zu Alleinerben einsetzen wollten. Dagegen wendet sich der Sohn mit dem Argument, es sei die gesetzliche Erbfolge nach dem Tod des ersten Elternteils eingetreten.
Zu Recht, urteilt das Gericht. Dem Testament lasse sich nicht entnehmen, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben, sodass die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Es sei zutreffend, dass dem Testament der Wunsch der Eheleute zu entnehmen sei, dass die Tochter nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten das Wohnhaus erhalten soll. Das reiche aber nicht aus, um das Testament so auszulegen, dass die Eheleute sich gegenseitig als Alleinerben des gesamten Nachlasses einsetzen wollten. Hierzu findet sich im Testament keine Formulierung. Auch die Überschrift „Wohnhaus“ spreche dafür, dass nur über einen Vermögensgegenstand und nicht über den gesamten Nachlass verfügt worden sei. Damit ist nach dem Tod des ersten Elternteils die gesetzliche Erbfolge eingetreten.
Diese Entscheidung ist ein Musterbeispiel für die Redewendung, dass das Gegenteil von gut gemacht, gut gemeint ist. Die Auslegung des Oberlandesgerichts ist zwar streng, aber gut vertretbar. Ob die Ehegatten die gesetzliche Erbfolge nicht kannten und davon ausgegangen sind, dass der überlebende Ehegatte alles erben werde, ist nicht bekannt. Es ist jedenfalls ein häufig anzutreffender Irrtum. Dadurch, dass die Eheleute nicht geschrieben haben: „Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.“ ist nun eine Erbengemeinschaft im Erbgang des erstverstorbenen Ehegatten entstanden. Der Sohn, der wohl nichts hätte bekommen sollen, kann nun über das Schicksal des Wohnhauses mitbestimmen und den Willen der Eltern torpedieren. Auch wenn auf den ersten Blick die Testamentsgestaltung einfach scheint; sie ist es für den Nichtjuristen nie und für den Experten nicht immer. Hätten sich die Eltern bei einem Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen, wäre dieses katastrophale Ergebnis nicht eingetreten.
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